der christliche Gott und das Leid

Benedikt Rediker studierte katholische Theologie und Anglistik in Freiburg sowie Philosophie in London. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich für Fundamentaltheologie und Philosophische Anthropologie an der Theologischen Fakultät in Freiburg und Dozent für Philosophie am Freiburger Orientierungsjahr und promovierte mit einer Arbeit zum Thema „Die Fragilität religiöser Hoffnung. Zur Transformation praktischer Theodizee im Anschluss an Immanuel Kant“.

Schwab: In der ,Corona-Pandemie‘ konnte man gut studieren, wie theologisch sprachlos viele kirchliche sowie theologisch-akademische Akteur*innen sind. Weshalb scheuen sich aus Ihrer Perspektive diese, sich zu derartigen Phänomenen zu äußern?

Rediker: Es gibt schon gerade in wissenschaftlichen Kontexten einige Äußerungen sowie Veröffentlichungen zur Corona-Pandemie, die versuchen, sich diesem Problem anzunehmen. Trotzdem würde ich Ihnen natürlich zustimmen. Tatsächlich ist eine grundsätzliche Sprachlosigkeit gerade auch der kirchlichen Akteur*innen in der Öffentlichkeit zu beobachten. Ich denke, dass es hierfür eine Vielzahl von Gründen gibt. Zunächst einmal gibt es in der katholischen Kirche im Moment das Problem, dass man sich in einer großen Systemkrise befindet und deswegen sehr stark mit der Aufarbeitung der eigenen systemimmanenten Probleme beschäftigt ist. Das führt dazu, dass man vielleicht auch die Kapazitäten und die Kraft nicht hat, sich mit der Frage, wie man mit der Corona-Pandemie theologisch umgehen kann, zu beschäftigen. Grundsätzlich glaube ich aber, dass es darüber hinaus auch systematische Probleme gibt, die dazu führen, dass es hier auch theologisch eine gewisse Sprachlosigkeit gibt. Das hat damit zu tun, dass es in der Bewältigung der Pandemie zunächst einmal um ganz pragmatische, technische Fragen geht. Wie können wir einen Impfstoff herstellen? Welche Hygieneregeln haben zu gelten? Wie ist die Beschulung von Schüler*innen zu gewährleisten? Das sind Fragen, für die es in modernen Gesellschaften andere Expert*innen gibt, die das zu regeln haben. Das ist gut so, weil sie einfach die größere Kompetenz in diesen Bereichen haben. Theolog*innen können zu diesen Fragen meistens nicht viel mehr sagen als das, was in anderen Wissenschaften Usus ist. Man muss sich deshalb klarmachen, dass es in Religion um Fragen geht, die auf einer anderen Ebene angesiedelt sind. Es geht um Letzt- und Sinnfragen, also um Fragen, die sich nach dem Sinn des Lebens ausrichten. Das sind Fragen, die natürlich, wenn es um die pragmatische Bewältigung von Epidemien geht, nicht im Fokus stehen oder diese sogar in gewisser Hinsicht behindern können, weil sie eine Unterbrechung schaffen und keine konkreten Lösungen anbieten können. Die Frage, die sich mir stellt, ist nur, ob es nicht ein Problem ist, wenn diese Letzt- und Sinnfragen nicht mehr gestellt werden. Hier sehe ich eigentlich eine große Aufgabe von kirchlichen Akteur*innen und Theolog*innen in der Öffentlichkeit, dass sie diesen pragmatischen Diskurs etwas unterbrechen und nochmal diese Grundsatzfragen stellen, da es ansonsten keine Diskussion mehr darüber gibt, welche grundsätzlichen Werte in der Bewältigung der Corona-Pandemie uns leiten. Geht es darum, möglichst viel menschliches Leben zu retten oder für viele Menschen ein möglichst würdevolles Leben zu ermöglichen? Doch was bedeutet das eigentlich?  Hier hätten kirchliche Akteur*innen die Aufgabe, zu intervenieren und diesen Diskurs voranzutreiben.  Ein Problem war zum Beispiel, wie wir mit den allein sterbenden Menschen in Seniorenheimen in der ersten Corona-Welle umgegangen sind. Das hat man erst sehr spät theologisch reflektiert und kirchliche Akteur*innen haben sich nicht immer klar positioniert. Es scheint mir die Aufgabe von kirchlichen Akteur*innen zu sein, gegen diesen Trend der ausschließlich pragmatischen Bewältigung anzugehen.

Schwab: Die Auswirkungen der ,Corona-Pandemie‘ hat uns Menschen in den verschiedenen Gesellschaften der Erde überdies gelehrt, wie fragil und vulnerabel wir Menschen trotz allen technischen sowie medizinischen Instrumenten sind und sein werden: Menschen sind verletzlich sowie sterblich und erfahren Leid: Weshalb gibt es auf der Erde Leid? 

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,ganzjährig sternsingen‘

Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie und der gebotenen Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Corona-Viren konnten viele Sternsinger*innen dieses Jahr ihre (Spenden)-Aktion nicht oder nur kontaktlos durchführen. Das war aus meiner Perspektive gegenwärtig angebracht, allerdings schält sich heraus, wie wichtig es gerade in einer Post-Corona-Zeit sein wird, die armen Menschen (nicht nur die mittellosen Menschen, sondern auch die Menschen, die arm an Beziehung und Beteiligung sind) nicht aus dem Blick zu verlieren: Ich meine damit nicht, dass Sternsinger*innen (und andere Menschen) in der Post-Corona-Zeit ständig verkleidet und singend Menschen besuchen oder Spenden sammeln sollten. Vielmehr fasse ich die Wörter ,ganzjährig sternsingen‘ als ein Ethos auf: Schärfen wir unser Bewusstsein zu Beginn der Post-Corona-Zeit besonders darauf, Menschen, die arm sind, mit der gebotenen und gewünschten Nähe und Unterstützung zu begegnen und ihnen direkt und symbolisch ,die Botschaft von Weihnachten‘ anzubieten.