
Schwab: Die Anzahl an Theologiestudierenden nimmt seit Jahren in Deutschland anhaltend ab und gegenwärtig studieren de jure noch etwas mehr als 600 Menschen an der Theologischen Fakultät Freiburg Theologie. Was sind aus Ihrer Perspektive mögliche Ursachen für diesen Trend und weshalb braucht die Gesellschaft überhaupt noch Theolog*innen?
Prostmeier: Wozu Theolog*innen? Ihre Frage impliziert einen Wandel. Demzufolge gab es eine Zeit, in der der Bedarf und die Relevanz von Theologie fraglos war. Die westlichen Gesellschaften haben sich aber – so die These – in einer Weise gewandelt, die die Funktion von Theologie als Wissenschaft obsolet erscheinen lässt. Es geht also nicht um Glauben, sondern um die Relevanz der Stimme wissenschaftlicher Theologie in gesellschaftlichen und kulturellen Diskursen. Aus meiner Sicht sind zwei Aspekte wichtig, ein eher innerchristlicher und ein politischer Gesichtspunkt. Kirche kann sich nicht davon dispensieren, die Botschaft Jesu treu zu Geltung zu bringen, ohne aufzuhören, Kirche zu sein. Das ist ein enormer Anspruch an alle Christ*innen. Er muss für jede Generation neu plausibilisiert werden und es bedarf hoher Anstrengung, die Stimme des Evangeliums der jeweiligen Kultur und den Zeitumständen angemessen zur Sprache zu bringen, oder allgemeiner formuliert, zu bezeugen, nämlich im Alltag der Welt. Diese Aufgabe stellt alle in die Verantwortung, jede Christ*in, aber besonders jene, die Verantwortung für und in den Strukturen der Kirche haben. Auch diese gewachsenen Binnenstrukturen bedürfen immer wieder der Plausibilisierung und sind so zu gestalten, dass in den tatsächlichen Strukturen der Welt die Botschaft Jesu treu, das heißt auch angemessen, zur Geltung kommen kann. Das ist eine permanente hermeneutische Aufgabe, um die sich die Theologie und die ganze Kirche mühen müssen, und zwar im Diskurs. Das ist nichts neues, sondern das ist seit den Anfängen der Kirche nie anders gewesen. Aus ihrer Geschichte könnte die Kirche auch ersehen, dass es bisweilen hilft und entlastet, sich dieses dynamische Kirchenkennzeichen bewusst zu machen. Auch aus einer säkularen Perspektive steht der Dienst im Vordergrund. Eine wichtige Funktion der wissenschaftlichen Theologie ebenso wie die der Kirche dürfte darin zu sehen sein, gegenüber den Instanzen des Staates und ebenso gegenüber dem, was in der Gesellschaft als das Machbare, Wünschenswerte und Erstrebte angesehen wird, dem Unverfügbaren Geltung zu verschaffen. Das ist in dieser säkularen Perspektive der Dienst, den wissenschaftliche Theologie und – wenn Sie wollen – die Kirche leisten: Staat und Gesellschaft an ihre eingeschriebenen Grenzen zu erinnern und darauf zu drängen, diese Grenzen um ihrer selbst willen, wegen der Würde eines jeden und zum Wohl der Allgemeinheit, zu respektieren. Vor diesem Hintergrund dürfte klar sein, dass der vorzügliche Diskursraum für eine gesellschaftliche Relevanz wissenschaftlicher Theologie zwar die Praxis der ,universitas‘ ist. Nach dem Verständnis einer modernen Universität und Fakultät ist das aber mitnichten ein selbstgenügsames Dasein im Elfenbeinturm. Vielmehr ist das ein erster wichtiger Schritt, um sich auch darüber hinaus kompetent in gesellschaftliche Diskurse einzumischen und sich zu engeren kirchlichen Belangen zu Wort zu melden. Nun fragen Sie auch, weshalb an unserer Fakultät nur 600 Frauen und Männer immatrikuliert sind. Es ist nur ein schwacher Trost, dass wir damit im bundesdeutschen Vergleich immerhin zu den drei größten Fakultäten für Katholische Theologie zählen, wobei zu bedenken ist, dass einzig in Baden-Württemberg nur die Lehramtsstudierenden für Gymnasium an der Universität sind. Tatsache ist, dass die Studierendenzahlen und die Zahl der Absolventen sinken, übrigens nicht nur in der Theologie, sondern fast in allen geisteswissenschaftlichen Fächern. Die Situation ist ein Spiegel der Relevanz der Geisteswissenschaften in unserer Gesellschaft. In den Theologischen Fakultäten konzentriert sich dieses Bild der allgemeinen Lage wie in einem Hohlspiegel.
Würtz: Die Ursachen sind vielfältig und liegen nicht allein in der Theologie selbst. Es gibt einen gesellschaftlichen Wandel. Prof. Dr. Prostmeier hat das schon angedeutet, die Stellung der Geisteswissenschaften und auch der Kirchen in der Gesellschaft nimmt ab. Die allermeisten Theologiestudierenden kommen aus einem kirchlichen Kontext. Wenn die Anzahl an Katholikinnen und Katholiken kleiner wird, verwundert es auch nicht, weshalb immer weniger Menschen Theologie studieren. Man darf auch nicht verhehlen, dass die Kirche gegenwärtig viele Krisen hat. Das steigert auch nicht die Attraktivität, Theologie zu studieren und vielleicht für die Kirche zu arbeiten. Ich denke, die Gesellschaft braucht ganz klar heute Theologen und Theologinnen sowie die theologische Forschung an den Hochschulen, weil wir viele Dinge ohne Theologie nicht verstehen würden: Man kann beispielsweise die Literatur von Bertold Brecht nicht verstehen, wenn man keine Ahnung von der Bibel hat. Allerdings dient die Theologie nicht nur als Hilfswissenschaft für andere akademische Disziplinen, sondern die Theologie zeichnet sich dadurch aus und deshalb ist sie für die Gesellschaft wichtig, dass sie die Gesellschaft aus einer anderen Perspektive beleuchtet, nämlich in einer deutlich weiteren Weise. Wenn man das philosophisch ausdrücken will, kann man den Begriff ,Transzendenz‘ aufrufen. Die Theologie kann Menschen helfen, über sich selbst hinauszudenken. Die Theologie versucht verständlich zu machen und zu begründen, dass es Gott gibt.
Schwab: Die Deutsche Bischofskonferenz forciert eine Konzentration der Priesterausbildung auf drei Standorte in der Studienphase. Wenn die Vorschläge umgesetzt werden, werden zukünftig in Freiburg Seminaristen lediglich im Propädeutikum ausgebildet und studieren somit nicht mehr an der Theologischen Fakultät Freiburg. In einem Artikel auf meinem Blog MenschKirche habe ich mich entschieden gegen die Konzentration der Priesterausbildung argumentativ positioniert, allerdings sollen diese Argumente hier nicht erneut aufgerufen werden. Sollte das Konzept realisiert werden, welche Konsequenzen hätte die Konzentration der Priesterausbildung für die Theologische Fakultät Freiburg?
Würtz: Ob und wie die Konzentration der Priesterausbildung erfolgt, wissen wir jetzt noch nicht. Wir sehen aber, dass die Anzahl der Priesteramtskandidaten, die im Priesterseminar leben und an der Universität studieren, zwischen 10 und 20 in Freiburg liegt. Diese sind durchaus wichtig für die Fakultät, aber auch nicht entscheidend für dieselbe. Man hört immer wieder das Argument, dass, wenn die Kandidaten nicht mehr an der Fakultät studieren, die Fakultät ihren Schutz durch das Konkordat verliert. Das stimmt nicht. Zum einen ist die Fakultät auch durch die Landesverfassung geschützt. Artikel 85 lautet: ,Die Universitäten und Hochschulen mit Promotionsrecht bleiben in ihrem Bestand erhalten.‘ Vor Jahren hat zudem der Landesrechnungshof festgestellt, dass das Konkordat weiter gedacht werden muss. Als das Konkordat ausgehandelt wurde, war klar, dass ein Theologiestudent Priesterkandidat ist. Heute gibt es auch andere pastorale Berufe wie insbesondere Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, die diese Aufgabe wahrnehmen. Es ist für die Fakultät freilich schade, wenn nur noch Seminaristen in der Externitas in Freiburg studieren würden.
Schwab: Die Auslastung, also das prozentuale Verhältnis zwischen Lehrangebot und Lehrnachfrage, der Theologischen Fakultät Freiburg ist gering. Erachten Sie, Herr Prostmeier den Fakultäten-Status der Theologischen Fakultät Freiburg wegen der geringen Auslastung und trotz des Konkordates von 1932 für gefährdet?
Prostmeier: Ich erachte den Fortbestand der Fakultät als nicht gefährdet. Weihbischof DDr. Würtz hat die entscheidenden Faktoren genannt. Natürlich ist es für die Forschung und vor allem Lehre angenehmer, wenn es viele Studierende gibt. Man muss aber auch schauen, was die Theologische Fakultät in Freiburg tatsächlich im Vergleich zu den anderen Fakultäten kostet und wie dort die Auslastung ist: Wir sind ungefähr bei einem Drittel der Kosten, die die nächstgrößere Fakultät hat. Wir können im Vergleich zu anderen Fakultäten kleinere Fächer mit wenig Auslastung nicht in eine besser nachgefragte Lehreinheit integrieren, in der mehrere Fächer zusammengebunden sind, um nach außen hin in einem günstigeren Licht dazustehen. Die Theologische Fakultät zählt als eine geschlossene Lehreinheit. Ich erinnere auch gerne an die gemeinsame Stellungnahme des Herrn Erzbischof Stephan Burger und der Theologischen Fakultät vom September 2020. Freiburg ist der einzige Standort in Deutschland, wo eine solche gemeinsame Positionierung erfolgt ist. Das ist auch in der Universität und darüber hinaus als ein starkes Zeichen wahrgenommen worden. Es besteht kein Anlass, jedes Semester von Neuem diesen Konsens hinsichtlich des Bestands und der Ausstattung der Fakultät in Frage zu stellen. Viel wichtiger ist, dass Kirchenleitung, Fakultät und Universität in guten Gesprächen daran arbeiten, die Attraktivität der Theologischen Fakultät als Teil des Wissenschaftsstandortes Freiburg zu stärken und zu entwickeln. Dazu gehört beispielsweise die Kooperation mit der Université Strasbourg in verschiedenen neuen Studiengängen, etwa dem Licenciat theologiae oder Masterstudiengang Interdisciplinary Ethics. Ziel ist es, das Studium deutlich forschungsbasierter und zugleich professionsbezogener fortzuschreiben. Das beinhaltet, dass wir unseren Studierenden Möglichkeiten eröffnen, sich so zu qualifizieren, dass sie auch außerhalb der klassischen Arbeitsfelder für Anstellungsträger*innen interessant sind. Es gibt einen Wettbewerb. Freiburg hat sehr gute Voraussetzungen.
Schwab: Immer weniger Studierende arbeiten nach ihrem Studium für die katholische Kirche als Priester, Pastoralreferent*in oder Religionslehrer*in. Wie kann die katholische Kirche als Arbeitgeberin (wieder) attraktiv für Studierende werden?
Würtz: Ich hoffe, dass die Kirche als Arbeitgeberin gegenwärtig eine gewisse Attraktivität hat. Ich gestehe gerne zu, dass noch Potential besteht. Vor drei Jahren hat der BDKJ einen Beschluss gefasst unter dem Titel: ,Kirche bewirbt sich‘. Ich denke, die Kirche muss stärker auf Menschen zugehen und sagen, es lohnt sich, bei uns zu arbeiten und es ist eine erfüllende Aufgabe. Das fordert einen Haltungswechsel. Die Kirche muss sich bei den Menschen als attraktive Arbeitgeberin anbieten und die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Wir müssen zudem prüfen, ob die Voraussetzungen, für die Kirche zu arbeiten, noch adäquat sind. Wie sieht es beispielsweise mit der Grundordnung der Missio Canonica aus? An diesem Thema sind Sie und andere ja gerade dran.
Schwab: Das Erzbistum Freiburg vollzieht unter dem Titel ,Kirchenentwicklung 2030‘ einen Transformationsprozess und reagiert damit auf den Rückgang an Katholik*innen, Mitarbeiter*innen, sowie finanziellen Mitteln. Wie können Studierende beispielsweise durch neue Studiengänge oder Lehrangebote an der Theologischen Fakultät Freiburg gefördert werden, nach diesem Prozess gut ausgebildet möglicherweise für das Erzbistum Freiburg zu arbeiten?
Würtz: Ich denke, es ist immer wichtig, dass es auch Theologinnen und Theologen gibt, die ein komplettes Theologiestudium haben. Sie können eine umfassende theologische Kompetenz in die pastorale Arbeit einbringen. Aber nicht nur Volltheologinnen und Volltheologen können in der Pastoral tätig kein, sondern im Rahmen von multiprofessionellen Teams sind auch andere Berufsbilder für die Pastoral wichtig, etwa im Bereich der Religionspädagogik, der Kirchenmusik oder der Sozialen Arbeit. Die Fakultät bietet bereits gegenwärtig verschiedene Masterstudiengänge wie beispielsweise den Master Caritaswissenschaft und Ethik an. Wir müssen stärker prüfen, welche Ausbildungen nötig sind. Ich bin gespannt, ob es nicht bald noch mehr neue Studiengänge gibt, in denen Studierende neben dem Studium der Theologie weiter befähigt werden, in der Pastoral wirksam zu werden.
Schwab: Gegenwärtig gibt es in Deutschland neben Freiburg noch einige weitere Hochschulen, an denen Theologie gelehrt und Forschung betrieben werden. Worin unterscheidet sich die Lehre und Forschung der Theologischen Fakultät Freiburg von anderen Fakultäten?
Prostmeier: Die Frage setzt voraus, dass ich alle anderen Fakultäten kenne. Das ist nicht der Fall. Insofern ist es ein selektiver Blick: ,Freiburg ist sexy.‘ Das ist nicht einfach nur so dahingesagt, sondern das hat uns eine evangelische Dogmatikerin bestätigt. Diese Auszeichnung ist ambivalent, anregend und reizvoll, aber auch herausfordernd. Man könnte konkrete Themen benennen, die prominent vertreten werden. Pluralität und Profiliertheit von Forschungspositionen und eine ambitionierte Kultur des akademischen Streites zeichnen die Fakultät aus. Lehrende und Studierende müssen diese Ambivalenz aushalten wollen. Das Profil der Fakultät zeigt sich in gewissem Sinn auch in den Denominationen der Lehrstühle, also wie man sein Fach versteht. Neben den klassischen Fächern wie beispielsweise Moraltheologie finden sich Lehrstuhlbezeichnungen, die die Verbindung zu weiteren Sachgebieten gewissermaßen im Namen führen, wie Fundamentaltheologie und Philosophische Anthropologie oder Neutestamentliche Literatur und Exegese, das Adjektiv öffnet den Blick auf die frühchristliche Zeit und die Umstände, in der die älteste christliche Literatur entstanden ist und peu à peu Schriften ausgewählt wurden, die normativ und formativ für die Kirche geworden sind. Sie finden leicht eine Reihe weiterer Beispiele für diese Konnektivität zwischen Lehrstühlen. Ich würde zudem hervorheben, dass es in Freiburg immer noch mehr Studierende gibt als an anderen Standorten. Für Freiburg ist außerdem das Umfeld ein Alleinstellungsmerkmal, sowohl das kirchliche Umfeld als auch die Möglichkeiten, zu kooperieren. Das werden wir auch verstärken. Ich denke beispielsweise an Strasbourg oder Basel und Kooperationen innerhalb der Universität. Überdies ist die Internationalität entscheidend. Wir sind im Gespräch mit Peru und Argentinien, Buenos Aires, und haben eine bestehende Kooperation mit Yale. Des weiteren gibt es die Tradition, dass Priester aus Asien oder Afrika zum Studieren oder Promovieren nach Freiburg kommen.
Schwab: Wie werben Sie, Prof. Dr. Prostmeier für das gegenwärtige Angebot in Lehre und Forschung der Theologischen Fakultät Freiburg?
Prostmeier: Corona macht nichts leichter, auch nicht die Bewerbung von Studiengängen. Zunächst ist natürlich der Tag der offenen Tür für Schüler*innen in den Kursstufen zu nennen. Die öffentliche Präsenz durch Stellungnahmen in Presse, Radio, Fernsehen oder durch öffentliche Veranstaltungen an der Universität wie die Freiburger Religionsgespräche oder Veranstaltungen der katholischen Akademie sind wichtig. Wir haben einen Instagram-Account eingerichtet. Er muss verantwortlich und kontinuierlich bespielt werden. Dafür brauchen wir die Unterstützung der Universität. Dasselbe gilt für unseren Internetauftritt. Seit fast schon 10 Jahren mangelt es an personellen und finanziellen Mittel, um einen modernen Auftritt zu realisieren. Die Universität geht im Rahmen der Exzellenzinitiative 2026 mit großen Schritten und konsequent beim Umbau des Webauftritts voran. Nicht nur im Blick auf den Ausbau der Vernetzung der Fakultät in der Universität werden wir uns im Rahmen eines Campus for the Humanities präsentieren, aber erkennbar als Theologische Fakultät. Ansehen und Vernetzung müssen sichtbar sein, aber auch die Unverwechselbarkeit. Und schließlich sei auf Ihren Blog verwiesen.
Schwab: Wenn man anerkennt und ernstnimmt, dass immer weniger Menschen Theologie studieren und Berufe in der Kirche anstreben, müsste sich Ihre Fakultät anders ausrichten. Welche Strategien verfolgen Sie, Prof. Dr. Prostmeier, um die Theologische Fakultät Freiburg weiterzuentwickeln und zu sichern?
Prostmeier: Ich kann nur sechs Stichpunkte aufrufen, weil die Weiterentwicklung der Fakultät ein Prozess ist, in dem es verschiedene Meinungen gibt sowie verschiedene Gesprächspartner*innen eingebunden sind. Erstens ist die Vernetzung der wissenschaftlichen Theologie in der Universität wichtig. Außerdem müssen die Studiengänge und Ausbildungsgänge fortgeschrieben werden. Das hat Weihbischof DDr. Würtz bereits angesprochen. Eine Möglichkeit wäre, Doppel-Abschlüsse und Zusatzqualifikationen wie BWL oder Supervision zu ermöglichen oder die Durchlässigkeit zwischen den Hochschulen und Studiengängen zu erhöhen. Letzteres geschieht bereits für Absolvent*innen der PH, die in den Master of Education einsteigen. Wichtig ist auch das internationale kanonische Licenciat mit der Université Strasbourg, mit dem die venia docendi erlangt wird. Drittens ist die Forcierung von Austauschprogramme für Studierende und Dozierende zu nennen. Erasmus+ ist natürlich bewährt, allerdings sollten wir zu neuen Kooperationsvereinbarungen mit exzellenten Standorten in Süd- und Nordamerika kommen. Eine moderierte Flexibilität im Curriculum ist viertens wichtig. Es sollte wieder möglich sein, so wie dies etwa in Leuven üblich ist, dass wir forschungsbasierte Lehre haben und nicht nur vorgegebene Lehrprogramme abspulen. Vielleicht ist zu überlegen, ob man einen definierten Lehrpool – nach Rücksprache mit der Erzdiözese Freiburg – an Humanities hat, aus dem Studierende gezielt auswählen können. Muss man beispielsweise die Reformation unbedingt bei der mittleren Kirchengeschichte hören oder könnte man dieses Element nicht rausnehmen und bei den Historiker*innen absolvieren? Fünftens möchten wir die Graduiertenschule sowie die gute Zusammenarbeit mit der Erzdiözese Freiburg weiterentwickeln. Die Erzdiözese Freiburg unterstützt beispielsweise internationale Studierende und gibt ihnen in Freiburg eine ökonomische Perspektive.
Schwab: Was tun Sie, Herr Würtz, als Bischofsvikar für die Hochschulen, um die Theologische Fakultät Freiburg zu fördern?
Würtz: Privat unterstütze ich die Fakultät, indem ich Mitglied im Förderverein bin. Beruflich bin ich zusammen mit meiner Mitarbeiterin, Frau Dr. Schlenke, regelmäßig im Gespräch mit dem Fakultätsvorstand zum Austausch. Ich denke, einige Ideen entwickeln sich gerade im gemeinsamen Gespräch oder können verfestigt werden. Die Erzdiözese Freiburg unterstützt, wie gesagt, die Fakultät, indem sie beispielsweise ausländischen Studierenden günstigen Wohnraum zur Verfügung stellt. Das wird auch hinsichtlich des Lizenziats interessant. Außerdem ist die Erzdiözese in anderen Bereichen fördernd tätig und unterstützt die Anliegen der Fakultät.
Schwab: Entgegen des oben beschriebenen Trends richtet die Theologische Fakultät Bonn bis 2022 drei Lehrstühle ein und agiert stark interdisziplinär. Was können Sie, Prof. Dr. Prostmeier als Dekan der Theologischen Fakultät Freiburg von der Bonner Fakultät und anderen Fakultäten lernen?
Prostmeier: Nun vielleicht haben die Bonner Kolleg*innen von Freiburg gelernt. Wir konnten im Rahmen des Masterprogramms 2016 des Landes Baden-Württemberg nicht nur die Neueinrichtung einer W3-Professur für Religionswissenschaften erreichen, sondern sie auch in die Grundausstattung der Fakultät überführen. Diese Professur ist also keine Eintagsfliege wie mancherorts, sondern in der Theologischen Fakultät strukturell eingerichtet. Das ist nicht nur eine feine Sache, mit der man sich brüsten kann. Religionswissenschaftliche Forschung und Lehre besitzt an der Freiburger Fakultät eine beachtliche Tradition. Mit der Neueinrichtung knüpfen wir daran an. Aber unser strategisches Ziel reicht weiter. Diese neue Professur übernimmt eine Scharnierfunktion: Zum einen zwischen den theologischen Disziplinen sowie zu anschlussfähigen Fachgebieten in der Philosophischen und in der Philologischen Fakultät, zum anderen zu unseren Kooperationspartner im Eucor-Raum, also zu den theologischen Fakultäten in Strasbourg und Basel. Es kommt noch etwas wichtiges Strategisches hinzu. Für Absolvent*innen der Theologie ist es für ihre berufliche Karriere zunehmend entscheidend, dass sie exzellent qualifiziert und zugleich breit aufgestellt sind. Sie benötigen nachgewiesene Kompetenzen für vielfältige Arbeitsfelder. Mit unserer neuen Professur eröffnen wir die Chance, mit überschaubarem und klugem Einsatz neben dem theologischen Abschluss zusätzlich einen Master in Religionswissenschaft zu erwerben oder sogar in diesem Fach zu promovieren. Das bedeutet: Die Einrichtung einer neuen Professur muss in die Strategie und dem Entwicklungsplan der Fakultät und der Universität wirkungsvoll und verlässlich eingepasst sein. Es gibt allerdings weitere strategische Möglichkeiten für unsere Fakultät. Dazu gehört eine weitsichtige Berufungspolitik. Hier hat die Fakultät tatsächlich Steuerungsmöglichkeiten, um Innovationen zu generieren. In den nächsten 10 Jahren werden Dreiviertel der Lehrstühle neu besetzt. Dabei wird es zweifelsohne wichtig sein, die Fachprofile so zu fassen, dass ihnen die Interdisziplinarität und die Internationalität gewissermaßen eingeschrieben sind. Damit würde die Fakultät eine gewisse Tradition fortschreiben und intensivieren, die in bestimmten Fachgebieten seit rund 100 Jahren bereits Usus ist, wenngleich das nicht von allen Seiten bemerkt worden ist. Auf eine Maßnahme möchte ich doch noch hinweisen. Wir haben in den letzten Jahren verstärkt die Zusammenarbeit mit beiden geisteswissenschaftlichen Schwesterfakultäten an der Universität Freiburg gesucht. Wir sind nun an einem Punkt, wo wir und die Universität die Vorteile koordinierten Planens und Handelns noch deutlicher wahrnehmen und auch umsetzen. Ihre Frage hat gelautet: Was kann man von den Bonner Kolleg*innen lernen? Man erkennt den hohen Wert kontinuierlicher Kommunikation zwischen Fakultät und Bistumsleitung.